Divine hätte in diesem Oktober 60. Geburtstag gefeiert.
Aus diesem Anlaß habe ich einen kleinen Artikel für das Frankfurter gab-Magazin geschrieben.
Filth Is My Life – Divine, zum 60.
“Divine is my Elisabeth Taylor.” (John Waters)
“His face is the Edie Sedgwick type of face, but fat.” (The Andy Warhol Diaries)
Ohne Schminke und Kostüm soll Divine schüchtern, höflich und zurückhaltend gewesen sein. Sobald die Schminke aufgetragen wurde begann die Verwandlung. Eine andere, wildere Persönlichkeit kam zum Vorschein, die für so viele Drag Queens den Weg bereitet hat. Filth is my life, rief sie in Pink Flamingos und hat damit den auf Mainstream-Schönheit getrimmten, dürren Drag Queens aller Zeiten vor die Füße gekotzt und die bestehenden Mittelklassewerte, mit denen sie selbst aufgewachsen war, hinter sich gelassen. Sie wurde als Schwergewicht zum Sexsymbol. Herrlich!
Divine ist mit serbischer Abstammung in Baltimore aufgewachsen. Schon als Teenager war er Fan von Elisabeth Taylor und Jayne Mansfield, von denen er sich für seinen frühen Look und femmen Gang inspirieren ließ. Seine Eltern leiteten einen Kindergarten, Divine jobbte als Frisör.
Die frühen John Waters Filme der 60er und 70er Jahre bringen eine laute, dominante und oft wie eine Dampfwalze wirkende Divine hervor. Zwischen dem Regisseur und Divine entsteht eine enge Freundschaft. Mit Pink Flamingos werden John Waters und Divine 1972 zu Underground Superstars. Sie lebt die Rollen, man nimmt ihr jede Bewegung und jeden Dialog ab. Sie verschmilzt mit ihren Charakteren und es ist schwer abzuschätzen, wo Divine aufhört und ihr nächste Rolle, Dawn Davenport, beginnt.
“I’m going to go sink into a long hot beauty bath now, try to erase the stink of a five year marriage. (…) I’m a free woman now and my life is just ready to begin.”
(Divine als Dawn Dawenport in Female Trouble, 1974)
Anfang der 70er tritt sie mit den tollen Hippie-Cocketts in San Francisco auf. Es folgen sehr erfolgreiche Off-Broadway Musicals in NYC, mit denen Divine in USA und London tourt. Wegen diesen vertraglichen Verpflichtungen kann sie in Desparate Living nicht mitspielen, das John Waters Lesben-Melodram, in dem die Rolle der Mole McHenry für sie vorgesehen war (und nicht, wie man vielleicht vorschnell denken könnte, die Rolle der Grizelda Brown, gespielt von der fabelhaften Jean Hill).
1981 dann Polyester. Als Francine Fishpaw hätte sie spätestens den Oscar verdient. Sie ist keine Drag Queen mehr, sondern Hausfrau, das erste Mal in einer Opferrolle. Damit werden die Grenzen der Bürgerlichkeit auf wunderbare Weise weiter verschoben und unterwandert.
“I wish I could be more like you, Cuddles, always optimistic. I look into my future and all I see is a long, dark highway filled with endless toll booths and no exits.”
(Divine als Francine Fishpaw in Polyester, 1981)
Ende der 70er startet Divine’s Gesangskarriere, die den Star, vor allem in Europa, einem heterosexuellen Publikum näher bringt. Sie wurde eben überall gebraucht! Zuerst von Bobby O., der auch für die ersten Pet Shop Boys Hits verantwortlich ist, später von Stock-Aitken-Waterman produziert. Die Hits heißen Walk Like A Man oder Shoot your Shot. Ihr dirty Filmimage wird für die Songs und Liveauftritte genutzt. Die Auftritte im ehemaligen Construction 5 (Frankfurt/Main) und in der Tennisbar in Bad Homburg sollen phänomenal gewesen sein. Disco-Power extrem!
Es folgen Filme außerhalb des John Waters Clans und im Februar 1988 die Premiere von Hairspray, in dem Divine erneut eine Hausfrau spielt und in einer Doppelrolle als männlicher Fernsehsender-Chef zu sehen ist. Im Anschluß an den Film wollte sie eine wiederkehrende Rolle in der Fernsehserie Married With Children spielen. Zum geplanten Drehbeginn der Serie am Morgen des 07. März 1988 erschien Divine nicht. Sie starb durch einen Herzinfarkt im Schlaf. Neben ihrem Bett wurde das Drehbuch zur Fernsehserie gefunden.
Divine wäre am 19. Oktober 60 Jahre alt geworden.
Und selbst in dem letzten John Waters Film, A Dirty Shame, vermisst man sie. Als sexsüchtige Hausfrau Sylvia Stickles wäre sie unschlagbar gewesen.
“John’s movies are so good because there is that love between everybody, that love and devotion to the work and to each other. So, naturally, it comes through on the screen. Even when you’re saying lines like “I hate you” and other horrible, mean things, the love makes that better too.”
(Divine, 1974 Interview)
gab-Magazin, Oktober 2005 (gab-Magazin .pdf Download Seite)
Somit wäre auch klar, wer mein grosses Vorbild hierfür war:
http://www.produzentin.com/2005/01/14/what-is-love/